Debatte um Umbenennung: Wie umgehen mit problematischen Straßennamen?

Der Kreisverband der Grünen in Schwabach lud per Videokonferenz die interessierte Bürgerschaft zum aktuellen Thema „Wie umgehen mit heiklen Straßennamen in Schwabach?“ ein. Als Referent war Ralf Gabriel, der Vorsitzende der Bürgerstiftung Unser Schwabach eingeladen.

10.01.22 –

Wie umgehen mit heiklen Straßennamen in Schwabach?

Der Kreisverband der Grünen in Schwabach lud per Videokonferenz die interessierte Bürgerschaft zum aktuellen Thema „Wie umgehen mit heiklen Straßennamen in Schwabach?“ ein. Als Referent war Ralf Gabriel, der Vorsitzende der Bürgerstiftung Unser Schwabach auf Grund seiner Recherchen zu 100 Jahre Heimatblätter und der problematischen Rolle des Autors und Schriftleiters Heinrich Krauß eingeladen. Neben dem Gast traten die Historikerin und Landtagsabgeordnete Dr. Sabine Weigand und der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, Klaus Neunhoeffer auf. Eine Aussprache mit allen Zugeschalteten moderiert durch die Vorsitzende des Kreisverbandes, Katrin Greiner schloss sich danach an.

In der sehr gut besuchten Runde stellte Gabriel eingangs vor, dass die Zuständigkeit für Straßennamen nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz alleinig bei den Gemeinden  liegt, sie können den öffentlichen Straßen Namen geben und Namensschilder anbringen. In Schwabach selbst gibt es etwa 500 benannte Straßen, Wege und Plätze. Die Wochenzeitung ZEIT Online bietet im Internet eine allgemein zugängliche hervorragende Übersicht über die mehr als eine Million Straßen und Plätze in Deutschland. 450.000 verschiedene Straßennamen sind dort zu finden. Eine pure „Hauptstraße“ gibt es 7124 Mal in ganz Deutschland, eine Vogelweidestraße ganze 8, Parzivalstraße 10 Mal. Letztere wie viele Namen aus Wagneropern, auch Tristan, Tannhäuser & Co., sind überraschenderweise in Schwabach vertreten, konzentriert im Stadtteil Limbach. Auch Schwabach hat, typisch für das ganze Land, fast keine Straßen nach Frauen benannt. Die große Mehrheit aller Straße sind heute mit Namen versehen von Personen, die am Ort oder überregional als Vorbilder gesehen werden, wie auch in Schwabach eine Anna-Klein-Straße oder ein Schillerplatz.

Auf den Straßennamen Heinrich-Krauß wurde Gabriel über das Buch „Der Hexenmeister von Schwabach“ zum verleumderischen und verwerflich geführten Unrechtsprozess gegen den in Schwabach beheimateten Ansbachischen Landesrabbiner Hirsch Fränkel und seinen Bruder Elkan Fränkel aus dem Jahr 1712 wieder aufmerksam. Beide Juden wurden zu lebenslänglicher Haft unschuldig verurteilt, konnte in dem Werk nachgewiesen werden.

In diesem Buch aus dem Jahre 2011, das auf Belegen seine Geschichte begründet, widmet sich der Autor auf sieben Seiten auch dem antisemitischen Heimatforscher im Nationalsozialismus, dem Schwabacher Heinrich Krauß. Eindrucksvoll für alle Beteiligte des Vortrags machte Gabriel nachvollziehbar, wie penetrant und abstoßend Heinrich Krauß mit aggressivem Antisemitismus seinen Einfluss als Schriftleiter der damaligen Beilage „Die Heimat“ im Schwabacher Tagblatt eingesetzt hat, um als Hetzer und Multiplikator schon im Vorgriff der späteren Novemberpogrome des Jahres 1939 gegen die Juden auch in Schwabach Stimmung zu machen. Mit einem Bild aus einer Titelseite eines antisemitischen Pamphlets von Heinrich Krauß brachte Gabriel auch ein Beispiel aus der großen Anzahl von Illustrationen im Stil von „Der Stürmer'' des NSDAP-Gauleiter von Franken, Julius Streicher. (Letzte Seite im PDF anbei zum Abdruck geeignet).

Für heute völlig unverständlich bleibt, wie schon kurz nach dem Tod von Heinrich Krauß die Stadt Schwabach ihm zu Ehren im Jahr 1959 eine Straße benennen konnte. Diese Verantwortung einer demokratischen Institution der jüngeren Geschichte aufzuarbeiten und Lehren daraus zu ziehen, sollte noch eine Aufgabe sein.

Wie also mit heiklen Straßennamen in Schwabach umgehen, ist die Frage? Denn neben Heinrich Krauß gibt es noch eine größere Zahl an anstößigen Namen, wenn auch nicht, bei bislang oberflächlicher Prüfung, mit selben Gewicht. Diese Frage stellt sich natürlich nicht nur in Schwabach, sondern in mannigfaltigen Kommunen. Das Freiburger Modell aus dem Jahr 2013 wurde zumeist auch in anderen Gemeinden angewendet, nämlich eindeutige Kriterien und Klassifizierungen zu definieren. Die aktive Förderung des Nationalsozialismus bzw. des NS-Unrechtstaates von führender Position steht mit im Mittelpunkt. Dazu gehört neben der aktiven Förderung des Nationalsozialismus und des zersetzenden Antisemitismus auch extremer Rassismus und Militarismus im Sinne einer Glorifizierung  der Kriege jüngerer Geschichte.

Als Straßen, über die in Schwabach zu sprechen ist, gehören danach die Hindenburgstraße, aber auch eine Fichtestraße, Kantstraße, Jahnstraße, Hans-Meiser-Straße, Wilhelm-Dümmler-Straße, Dr.-Georg-Betz-Straße, Ina-Seidel-Straße, Bismarckstraße und auch ein Martin-Luther-Platz. Dabei ist sich Gabriel bewusst, dass diese Aufzählung, die er mit entsprechenden Informationen begründete, keinesfalls vollständig sein dürfte. Im Ergebnis fasst Gabriel sieben Positionen und Anregungen zum Umgang mit Straßennamen zusammen, die sich in anderen Städten bereits in der Praxis bewährt haben. Personengebundene Straßenbenennungen sind Ehrungen, die mit Blick auf gegenwärtige Normen und Werte auch wieder entzogen werden können. Die Debatte zum Umgang sollte auf Grundlage gut recherchierter Fakten – unterstützt durch Fachleute - nicht allein in den gewählten Gremien, sondern mit der Bürgerschaft geführt und Entscheidungen erst danach gefällt werden. Ein alleiniges Entscheidungsrecht der Anlieger der jeweiligen Straße ist demokratisch nicht legitimiert. Es geht um einen vertretbaren Umgang für die Stadt insgesamt. Informiert und diskutiert werden sollte stets über den historischen Kontext, in dem die Entscheidung zur Benennung einer Straße gefällt wurde. Die damals geltenden Maßstäbe zur Bewertung einer Person – politisch, ideologisch, moralisch – sollten herausgearbeitet und zu heutigen Standards und Narrativen in Beziehung gesetzt werden, um Entwicklungsprozesse begreifbar zu machen. Ein allein auf Basis gegenwärtiger Sichtweisen gefälltes Urteil über vergangene Entscheidungen blockiert eine Debatte eher, als dass sie sie befördert. Entscheidet man sich für die Beibehaltung eines strittigen Straßennamens sollten Informationstexte und -tafeln bereitgestellt werden, die über die Namensgeber informieren. Im gegenteiligen Fall sollten Hinweise auf den früheren Zustand gegeben und die Beweggründe für die Änderung erläutert werden, denn das schlichte Verschwindenlassen von aus heutiger Sicht fragwürdigen Namen und Persönlichkeiten führt nicht automatisch dazu, dass die mit ihnen verbundenen Ideologien, Feindbilder und Vorurteile auch aus den Köpfen verschwinden und es wäre ein untauglicher Versuch Geschichte auszulöschen. Die Debatten um Straßenamen oder Denkmäler sollten auch nach ihrem Abschluss als Denk-Male einer demokratischen Geschichtskultur präsent bleiben. Mögliche Formate dafür können sein: Ausstellungen zu Straßenbenennungen und -umbenennungen, Informationsportale zu „belasteten“ Straßennamen durch das Stadtarchiv, Dokumentation der Debatten und Ratsbeschlüsse, Stadtführungen aber auch Schülerprojekte zum Umgang mit umstrittenen Straßennamen.

Nach dieser Einführung in das Thema erinnerte die Historikerin und Mitautorin des Historischen Stadtlexikon von Schwabach Dr. Sabine Weigand an die bereits seit vielen Jahren immer wieder aufflammende Diskussion  zum angemessenen Umgang mit problematischen Straßennamen. Dazu zählt auch sie neben dem besonders belasteten Heinrich Krauß auch eine Hindenburgstraße oder die dem ehemaligen Bürgermeister, Stahlhelmaktiven, SA-Reserveoffizier und mit 74 Jahren im Krieg auch freiwilligem Wehrbezirksoffizier Wilhelm Dümmler gewidmete Straße im Eichwasen. Eine abschließende gründliche Aufarbeitung ist für sie nun reif und es sollte eine klärende Position in der Stadt herbeigeführt werden. Dazu ergänzend verwies Klaus Neunhoeffer auf eine gerade anlaufende Abstimmung unter den Fraktionen im Stadtrat, mit welcher Aufgabenstellung, welchem Zeitplan und wie zusammengesetzt ein Arbeitskreis der Stadt sich dem Themenkomplex stellen will. In der daraufhin eröffneten Aussprache meldeten sich auch zwei Anwohner der Heinrich-Kraus-Straße zu Wort, die in ihrer unterschiedlichen Aussage das breite Spektrum der Sichtweisen zu einer Straßenbenennung ausdrückten. So gab es sowohl die Betroffenheit, bei diesem Kenntnisstand zu Heinrich Krauß nicht länger mit diesem Namen dort adressiert sein zu wollen, wie auch, dass natürlich die Taten des sogenannten Heimatforschers Krauß verabscheut werden, aber der Straßenname zu ihm als keine Belastung empfunden wird, sondern als erhaltenswerte Widerspiegelung auch der schlechten Seite unserer Geschichte. Insgesamt wurde die virtuelle Veranstaltung von allen sich Äußernden als befruchtend wahrgenommen, und die Kreisvorsitzende der Grünen, Katrin Greiner sah in diesem eröffneten Aufklärungs- und Bürgerdialog bei der Verabschiedung einen Gewinn für alle. Die kommenden Wochen werden zeigen, so Greiner, ob es auch Schwabach gelingt, wie vielen Städte schon zuvor, im Umgang mit heiklen Straßennamen eine tragfähige Lösung im angestrebt breiten Konsens der Stadtgesellschaft erarbeiten zu können.

Die Berichterstattung zur Veranstaltung erfolgte am 20.12.2021 im Schwabacher Tagblatt.

Auch im Stadtrat wurde über die Umbenennung einiger Straßen diskutiert. Ein Arbeitskreis soll nun erarbeiten, wie mit den Straßen umgegangen werde soll. Ein Artikel hierzu von Günther Wilhelm im Schwabacher Tagblatt am 18.11.2021.

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